Geschichte & Geschichten

3
Nov
2025

Der Heilige Berg am Ortasee: Sacro Monte

So mancher könnte zurecht glauben, ich sei ein überzeugter Katholik. Dem ist nicht so und Enttäuschungen in der eigenen Erwartungshaltung gehören zum Leben.

Ich bin (leider) Agnostiker. Für mich gehen Glauben und der wissenschaftliche Beweis der Existenz Gottes, wie parallele Linien, nicht zueinander. Egal wie schmal der Abstand ist.
Dennoch beneide ich Menschen die kindlich frei glauben können, und deren Glauben nicht durch Machtbessenene derselben Fraktion vor deren eigenen Karrierekarren gespannt wird.

Das lassen wir jetzt so stehen und wenden uns etwas Wunderbarem zu: Der Dichte an kulturellen Orten in Mitteleuropa.
Keine 50 Kilometer und man entdeckt einen neuen faszinierenden Fleck. Bei uns waren es vom Urlaubsdomizil nur wenige, landschaftlich schöne Kilometer bis an den oberitalienischen Ortasee. Ihn kennen viele, und wie beim Mont-Saint-Michel in der Normandie, bleiben die meisten unten im Rummelbereich.

Wer es in Orta San Giuglio wagt und sich bemüht, der steigt auf zum Sacro Monte.
Weg

20 Kapellen (der Begriff ist sehr verniedlichend) säumen den Weg. Angefüllt mit lebensgroßen, realistischen Figurenszenen um das Leben und Werden von Franziskus.

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Natürlich wurde das alles nicht über Nacht erschaffen. Es dauerte mehr als 100 Jahre, benötigte viele Sponsoren und das Überwinden zahlreicher Hindernisse.

Convent

Manchesmal hat man den Eindruck, mitten in der Szene zu stehen.

Gesicht

"Franz von Assisi" oder auch schlicht Franziskus, von ihm hat schon jeder mal was gehört. Meist beschränkt es sich auf den Papstnamen oder 'irgendwas mit Tieren' weil er nur mit dem tierliebenden Franz von Assisi in Verbindung gebracht wird. Immerhin, ein guter Anfang.

Zwischendrin auf dem Rundweg, entbietet sich sicherlich eine der schönsten Aussichten auf den Ortasee.

See

Ja, man muß die Franziskusverehrung im Kontext sehen. Teilweise wird überhöht bis an die Schmerzgrenze. Dennoch erkenne ich neidlos an, dass es gottseidank immer wieder Menschen gibt, die für ihre Ideale über Grenzen und auch über sich hinaus gehen.

Eine der oppulentesten Szenen der Kapellen kommt am guten Schluß. Franziskus empfängt höchste Ehren im Kreis von kirchlichen Würdenträgern und irdischen Machthabern.
Bühnenbild 100 Punkte! Wie bewegt mussten die Erschaffer gewesen sein, um es so lebendig zu gestalten?

Preisung

Nicht unerwähnt sollte das kleine Restaurant auf dem Berg bleiben. Wir genossen lediglich Tee und einen Imbiss. Dafür aber umso mehr an Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Und die irdische Speisekarte sah, so Frau D, auch gut aus.


Mein täglich Leben gib mir heute.

2
Nov
2025

Kraftort

Versuchen wir mal uns die Welt im Jahr 1170 n.Chr. vorzustellen und beamen uns an den Lago Maggiore. Dort war der Kaufmannssohn, Alberto Besozzi, gerade dabei den See zu überqueren. Der Legende nach war seine Familie vermögend und der junge Mann den Freuden des Lebens sehr zugetan. Bis zu dieser Seequerung. Er geriet in einen heftigen Sturm und fast wäre es sein frühes Ende gewesen, als er für den Fall der Errettung ein Gelübde ablegte.

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Er überlebte und hielt Wort. Er vergaß allen Reichtum und lebte fortan als gottesfürchtiger Einsiedler in einer Grotte am Ostufer des Langensees. Die Menschen am See suchten seinen Rat, erst recht als 25 Jahre später die Pest über sie kam. Als Dank verlangte Alberto den Bau einer kleinen Kapelle, deren Maße exakt denen des Grabes der Heiligen Katharina auf dem Berg Sinai entsprechen sollten. 10 weitere Jahre waren Alberto noch vegönnt. Inzwischen hatte er und seine Eremitei längst Kultstatus erreicht.
Ihm folgten Mönche, die den Ort um- und ausbauten. Später, als mehrere Kapellen standen, wurden sie miteinander verbunden und neu gestaltet.

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Frau D und ich haben die EREMITEI SANTA CATERINA DI SASSOBALLARO erst spät für uns entdeckt. Der Ort hat eine nahezu magische Anziehungskraft. Nicht nur die Lago mitten im Fels, unten der 300 Meter Tiefe See, oberhalb bröckeliges Gestein. Sassoballaro kommt nämlich vom Begriff Wackelstein.
Gestern hatten wir das unbeschreibliche Glück fast ganz alleine dort zu wandeln. Wenige bis keine weiteren Besucher. Die Stimmung war fast als sakral zu bezeichnen. Wir sprachen, wenn überhaupt, nur flüsternd miteinander und bewegten uns im Zeitlupenmodus.

Wer in die Nähe kommt, sollte sich die Zeit für Ruhe und Einkehr gönnen. Grüssen Sie Alberto von mir. Er liegt im Glassarg am Ende der Kirche. Über ihm ein großes Loch in der Decke. Dort blieb einst ein herunterstürzender Felsbrocken hängen und verschont somit den Einsiedler.

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Besonders betrachtenswert sind die TOTENTANZ-Fresken in der Galerie des Konvent. Sie zeigen verschiedene Menschen und Stände mit dem Sensenmann als Gerippe. Die Bilder sprechen zum Betrachter: Momento Mori, gedenke deiner Sterblichkeit.

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Es ist eine Form von erlebter Gnade, Orte wie diesen für sich entdeckt zu haben.


Mein täglich Leben gib mir heute.



https://www.eremosantacaterina.it/home-de.html


Und zur Vertiefung:
https://www.santiebeati.it/dettaglio/95257

4
Okt
2025

Hôtel-Dieu Beaune

Es ist heuer das dritte Mal, dass wir ein großes Haus mieten, das Platz für alle neun bietet. Diesmal im Burgund. Dann treffen sich Großeltern, Kinder und Enkel für gemeinsame Tage. Einfach mal für, und unter sich. Moderner würde man das als Achtsamkeitsübung titulieren. Für mich ist es einfach begnadete Familienzeit.

Meine Tochter meint eben, daß es, je nach Thema, Beteiligten und Tageszeit, eher einer Konfrontationstherapie ähnelt.

Ausflug nach Beaune. Das Hospice ist gesetzt. Fast jeder kennt das herrlich farbige Dach vom Sehen.

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Erst bei genauem Hinsehen und Hineinfühlen offenbart sich die ganze faszinierende Geschichte des Ortes. 1441 lebte im Burgund einer der mächtigsten und reichsten Drahtzieher der burgundischen Herrscher. Er war quasi die Graue Eminenz der Herzöge. Deren Einfluß reichte von Holland bis zur Schweiz und den Ardennen.

Der Hundertjährige Krieg war zu Ende und das Land war verheert. Hungersnöte, die Pest und marodierende Ex-Söldner taten ihr übriges um die Menschen zu plagen.

NICOLAS ROLIN, der Kanzler der Herzöge, bekam Angst vor dem Jenseits. Angst für alle irdischen Taten geradestehen zu müssen. Damals war es üblich, den Freikauf der Seele zu wählen. Also stiftete er, getrieben von seiner sehr katholischen Gattin, für eine mehr als beträchtliche Summe das Hospiz, um darin Arme und Kranke pflegen zu lassen. Damit die Versorgung gewährleistet ist, baute Rolin das Haus über einem Fluss - die Wasserversorgung war damit gesichert- und kaufte gleich eine Mühle, einen Bauernhof und viele Weinberge dazu.

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Noch heute sind die Weinberge ein Instrument der Hospice-Finanzierung, wenn ein mal jährlich die Weine mit einem Sozialzuschlag versteigert werden.

Gut, dass diese Angstmechanismen damals noch funktionierten. Einem Elon Musk wäre sowas heute nicht passiert.

Mein täglich Leben gib mir heute.

28
Sep
2025

Das Noth-Canal-Project

Frau D und ich genießen unser Badisches Ländle. Noch schöner ist es, wenn die Sonne nach einer Woche Schlechtwetter wieder hervorlugt. Stabiles Schuhwerk und etwas Sonnencreme, dann ein wenig fahren, um entlang des LEOPOLDSKANALS zu wandeln. Doch, wie kam es zu diesem Bauwerk?

Früher drohten der Region extreme Hochwasserfluten. 1802 keimte erstmals die Idee, die Massen mittels eines "Canals zu lenken". 385.000 Gulden wurden kalkuliert. Schlussendlich wurden es knapp 700.000 Gulden, was zu Unmut bei den beteiligten Gemeinden führte. Öffentliche Projektplanung ist bezüglich der Finanzen, damals wie heute, oftmals als uferlos zu klassifizieren.

Als dann bei einem Extremhochwasser 1844 die Region verschont blieb, verstummten die Kritiker.

Weitere zwei Jahre später, 1846, erhielt das 'Noth-Canal-Project" seinen Namen LEOPOLDSKANAL, als Würdigung des Großherzogs Leopold.

Kanal

Seinen guten Zweck erfüllt er nach wie vor. Auch heute war er ordentlich gefüllt mit dem Regenwasser der vergangenen Tage, das im Weiteren über den Rhein der Nordsee entgegenfließt.

Auf seinen Deichen, und das ist für Frau D und mich wie ein kleiner 'Urlaub', läßt sich beliebig lustwandeln. Je nach Jahreszeit und Sonnenstand im Schatten großer und alter Bäume.
Manchmal beobachtet man Schafherden, die als lebende Rasenmäher eingesetzt werden. Oder Reiher und Enten, die hier ihr Habitat haben. Und nebenher murmelt das Wasser um Steine oder Treibgut, das sich im Ufer verfangen hat.

"Baden, du selig Land", ging es mir durch den Kopf.

Zuhause gibt es zum Wochenend-Ende Feines aus dem häuslichen Gemüsegarten:
Selbstgemachte Hirsepfannkuchen aus frisch vermahlener Hirse. Zur Rolle geformt und gefüllt mit gartenfrischem Mangold, der zusammen mit fein geschnittenen Zwiebelwürfeln kurz angedünstet wird. Darüber eine cremig, würzige Fetasauce.
Und dazu ein Schoppen badischen Weines. Glückseligkeit kann so einfach sein!

Mein täglich Leben gib mir heute.

18
Sep
2025

Denk mal

Ein Denk-Mal für den Frieden auf einem exponierten Hügel im Friaul.

Denkmal1

Hier steht es:
https://maps.app.goo.gl/e1K2ymb5r2PxiWga9

ARA PACIS MUNDI heißt es. 1951 wurde es gebaut. Die Menschen waren erschöpft, von Kämpfen und Schlachten gebeugt und der Kriege leid.

In der Region gab es seit ewigen Zeiten die nutzlosesten (IsonzoSchlachten) und grausamsten (Foibe-Massaker) kriegerischen Auseinandersetzungen.

Dann 1951 (!) Ein riesiges Denkmal. In der Mitte eine sehr große URNE, mit der Erde von über 800 Kriegsfriedhöfen und Meerwasser von Seeschlacht-Orten. Alles wurde in großen Zeremonien hierher gebracht.

Denkmal2

Gerade so, als möchte man das ganze Elend der Kriege an einer Stelle fokussieren, um neues Unheil zu verhüten.

Ein Ort wie dieser ist jetzt nötiger denn je. Denn die, die noch aus eigener Erfahrung berichten könnten, sterben aus. Und Dummheit und Hass sind die immerschwangeren Mütter neuer Konflikte.

Ein DENK MAL.

Mein täglich Leben gib mir heute

Mehr unter diesem Link
https://www.turismofvg.it/de/grandeguerra-monumenti/ara-pacis-mundi-in-medea

3
Jan
2013

In Ringsheim ist die Sau los

Wer nimmt schon immer und überall seine Kamera mit, nur um sie nach einem Spaziergang unverrichteter Dinge wieder zu verstauen. Gestern hat es sich gelohnt. Nachdem wir ein Rudel Rehe auf den Elzwiesen beobachten konnten, entdeckten wir in den Ackerfurchen eines Spargelfeldes ein paar Wildsauen.

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Bis dann alle aus dem Spargelkraut waren, kreuzte eine 25köpfige Rotte Wildschweine unseren Weg. Ein wenig Ehrfurcht haben die mir und Frau D schon eingeflößt. Nur gut das Obelix nicht in der Nähe war.

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Mein täglich Leben gib mir heute!

6
Nov
2012

Bunga-Bunga-Location

Eindeutig zweideutig titelt die WELT in ihrer Online-Ausgabe, dass unser aller Cavaliere Mosignore Berlusconi sein bescheidenes Anwesen auf Sardinen feil bietet. Für wenig mehr als 450 Millionen Euro (nicht Lire!) kann man es erwerben. Eine besonders heitere Note bekommt der WELT-Bericht durch die Anmerkung, daß sich bereits zwei POTENTE Interessenten gemeldet hätte. Wen wunderts, hat das Haus doch eine prominente Bunga-Bunga-Tradition.
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Mein täglich Leben gib mir heute!

11
Okt
2012

Glückwunsch zu 111 Jahren

Sie wurde bereits am 8. Juni satte 111 Jahre alt. Die Centennial-Light-Bulb in einem Feuerwehrhaus in Amerika. Sie - das ist eine Glühbirne, die seit dieser Zeit ununterbrochen von der Decke leuchtet und ein wärmendes Licht verbreitet.

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Ich gratuliere "der großen alten Dame der Beleuchtungstechnik" zu dieser glanzvollen Leistung. In weit kürzerer Zeit habe ich bereits dutzende vermeintlich energiesparender Quecksilberleuchten in die Tonne treten müssen.

Mein täglich Leben gib mir heute!

23
Aug
2012

Halloween kommt aus Österreich

Vor kurzem fiel mir ein interessanter Artikel aus dem Wiener Boten vom 23. Oktober 1949 in die Finger. Der Journalist berichtete von einer Werbeaktion - heute würde man es Marketing nennen - der Österreichischen Tourismusbehörde. Dort plagte man sich mit dem Gedanken den Tourismus der Nachkriegszeit anzukurbeln. Wintersport in Österreich, das geht alleine, auch der Sommer läuft in Österreich ganz gut. Aber der Herbst war ein Problem.

Die Agentur analysierte die möglichen Zielgruppen. Amerika! Dort war Geld vorhanden, aber auch eine ausgepägte Reisefreude und das Interesse am alten Kontinent. Doch - wie werben in Amerika? Was ist für Österreich kennzeichnend? Die Antworten waren rasch gefunden: Strohballen, Vogelscheuche und Kürbisse als Sinnbild für ein ländlich-romantisches Alpenland. Die Werbekampagne in Amerikas Großstädten sollte aber auch nicht viel kosten.

Kurzerhand entschied man sich mit dem beginnenden Oktober in den Metropolen der USA an den grossen, stark frequentierten Kreuzungen jeweils 3 Strohballen, eine Vogelscheuche und mehrere Kürbisse auf den Gehsteigen zu drapieren.

Das Werbeplakat welches für den Urlaub in Österreich werben sollte trug in der ersten Version den Slogan "Hello Austria", was den Werbern jedoch zu sperrig klang. Auch die Variante "Hello Vienna" war ihnen zu anbiedernd englischsprachig, wollte man doch das Eigene bewahren. So entschied man sich für die sprachlich zwar falsche aber einpägsamere Version des "Hello Wien!"

Hello-Wien
Gut sah es aus und verfehlte die einladende Wirkung nicht. Denn schon in den ersten Nächten nach der Aufstellung machten sich junge Stadtbewohner an der Dekoration zu schaffen, verkleideten sich mit den Lumpen der Vogelscheuche, höhlten die Kürbisse aus, schnitzten ihnen schaurige Fratzen und setzten Lichter in die ausgehöhlten Kürbisse hinein. In dieser Kostümierung und mit den Kürbissen geisterten sie durch die Städte und prägten damit unbewusst eine neue Tradition.

Von Interessierten befragt, was sie da tun, meinten Sie, in Anlehnung an das mitgeführte Werbeplakat: "We do Hello Wien". Und so wurde aus dem herbstlichen Spuk 'Hello Wien' das spätere Halloween.

Mein täglich Leben gibt mir heute!
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Mein täglich Leben gib mir heute

und es wird täglich besser

Kaum zu glauben

Nichts ist so absurd, dass es Gläubige nicht glaubten oder Beamte nicht täten. (Arno Schmidt)

Linkisches

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